In meinem Leben habe ich schon oft gehört, was ich kann und was ich nicht kann. Was geht und was nicht geht. Und wer ich bin und wie ich zu sein habe. Meistens war meine Reaktion darauf ein inneres Lachen und der Wunsch in mir wuchs, demjenigen, der mir das gesagt hat, zu zeigen, dass er unrecht hat. Dass es doch geht. Dass ich anders bin. Dass ich das kann.
Beispiele kann ich euch viele nennen.
Meine Englischlehrerin in der sechsten Klasse sagte über mich, dass ich lieber keine weitere Fremdsprache lernen sollte, da ich mit Englisch schon überfordert wäre. Mit Feuereifer führte ich mein Vokabelheft, übersetzte Texte. Womit ich jedoch Probleme hatte, war das Vorlesen (das ist auch jetzt noch in jeder erdenklichen Sprache eines meiner "Probleme") oder das Smal-Talken im Unterricht (eine Sache, die ich auch in meiner Muttersprache nicht gerne mache, weil es mich null interessiert, mich oberflächlich über das Wetter oder Politik zu unterhalten). Beides hat absolut nichts mit der englischen Sprache zu tun. Das Resultat: Mein inneres Trotztierchen war getriggert. In der neunten Klasse begann ich Russisch zu lernen, in der dreizehnten freiwillig noch Spanisch. Durch Austauschschüler und Freunde lernte ich einzelne Wörter und Sätze auf Chinesisch, Französisch, Polnisch und Tschechisch. Während der Uni lernte ich Altnordisch, Norwegisch, Isländisch, Dänisch, Schwedisch und Latein. Ich will nicht behaupten, dass ich eine dieser Sprachen auch nur annähernd perfekt beherrsche, aber das ist auch nicht mein Anspruch.
In meiner Kindheit wurde mir ein Satz beziehungsweise eine Phrase in den verschiedensten Variationen an den Kopf geworfen, dessen Echo heute noch in meinem Kopf widerhallt: Wie dämlich bist du eigentlich? ist nur eine davon. Auch wenn ich mittlerweile weiß, dass diese Aussage total haltlos ist, denn ich habe mein Abi gemacht, danach ein Studium beendet, irgendwann durch einen IQ-Test herausgefunden, dass mein Intelligenzquotient bei 129 liegt (was auch immer das bedeuten soll), ich mir selbst erfolgreich die verschiedensten Dinge beigebracht und durch meine Autorentätigkeit noch mehr Ahnung von Sprache, Grammatik und Rechtschreibung trotz leichter Lese-Rechtschreibschwäche habe, als betreffende Person, die dies zu mir sagte, verletzt mich diese Aussage noch immer sehr. Ich will nicht abstreiten, dass diese Aussage letztendlich der Auslöser und Motivator für meinen "intelligenten" Werdegang war, denn ich glaube, irgendwie möchte ich dieser Person das Gegenteil beweisen - auch wenn ich weiß, dass das nun wirklich nicht sehr schlau ist. Und überhaupt, wann ist man überhaupt dumm? Und welches Recht hat ein Mensch, über die Intelligenz eines anderen Menschens zu urteilen? (Aber diese Frage würde mich zu weit von dem eigentlichen Thema dieses Artikels wegbringen.)
Dinge, die ich ändern kann
Ich bin also unfassbar schlecht darin, bestimmte Dinge/Aussagen von anderen Menschen hinzunehmen/zu akzeptieren, die ich beeinflussen/ändern kann - die Dinge, meine ich, nicht die Menschen. Vielleicht ist das gut, denn ich bin ein großer Fan des Ausspruchs: Wenn jemand sagt, dass etwas nicht geht, dann sind das seine Grenzen, nicht deine (sinngemäß). In den oben genannten Fällen waren es eben andere Menschen, die sich ein Urteil über mich erlaubt haben und so meine Grenzen festlegten, die ich freilich nicht akzeptieren wollte. Vielleicht ist das aber auch nicht gut, denn so versuche ich schon mein Leben lang, anderen zu beweisen, dass sie Unrecht haben. Bleibt die Frage, wie sehr ich die Dinge eigentlich will, die ich tue. Auf meiner ToDoListe stehen so viele Sprachen, die ich gern können würde, aber ich setze mich nicht hin und lerne sie. Mein Studium hat mir unfassbar viel Spaß gemacht und ich habe mich dadurch unglaublich weiterentwickelt, aber, auch wenn ich den Bachelor of Arts habe, ich kann ihn für mich nicht anerkennen - weil betreffende Person ihn scheinbar nicht anerkennt, mir zumindest nicht das Feedback gibt, dass ich bei einigen Mitstudenten erlebt habe.
Dinge, die ich nicht ändern kann
Was ich allerdings im Laufe der letzten Jahre gelernt habe, ist Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann. Das Wetter, zum Beispiel (vielleicht auch ein Grund, warum ich nicht gerne darüber rede und wenn, es nur mit einem "es ist so schön heute" abtue, oder mich einfach bei einem Regenschauer oder Gewitter schnuppernd ans geöffnete Fenster stelle), oder das Schicksal, wenn es einem einen wichtigen Menschen nimmt. Besonders bei letzterem braucht es Zeit, nein, nicht die Wunden zu heilen, sie werden immer bleiben, sondern zu verstehen, dass es nicht mehr rückgängig zu machen geht und man das beste daraus machen muss. Es gibt einfach Dinge, die kann man nicht beeinflussen. Dazu gehört auch die Zukunft. Ich mache mir vergleichsweise wenig Sorgen darüber, was das Leben für mich bereit hält. Ich weiß, alles ist wandelbar, nichts ist von Dauer. (Und das ist gerade in meiner derzeitigen, finanziellen Situation äußerst beruhigend.)
Dinge, von denen ich denke, dass ich sie ändern kann
Oder: Dinge, von denen ich will, dass ich sie ändern könnte.
Es gibt die Möglichkeit, dass ich die Fähigkeit dazu besitze oder sie mir aneignen kann, Dinge zu ändern. Und genau das ist mein Problem. Ich verbeiße mich in Dinge, wenn es nur einen Funken Hoffnung gibt, sie zu ändern oder etwas Positives daraus zu ziehen, die nicht meine Angelegenheit sind. Und in diesem Punkt stehe ich in einem Widerspruch mit meinen eigenen Grundsätzen:
- Ich möchte nicht gesagt bekommen, was ich tun oder lassen soll - also habe ich auch nicht zu erwarten, dass andere tun oder lassen, was ich für richtig halte.
Wie kann ich selbst vorraussetzen, dass andere mich mein Leben leben lassen, wenn ich über ihres bestimmen möchte - wenn auch nur mit den besten Absichten. Ich kann und darf nur über mein Leben bestimmen, wie ich mich ernähre, wie ich mein Geld verdiene, was ich mit meinem Geld anstelle, wie ich meine Freizeit gestalte und mir meine Zukunft ertröume.
Ich kann und darf aber nicht für andere leben, meine Energie in ihre Ziele und Träume stecken, ihnen vorschreiben wie sie mit ihrem Geld umgehen, wie, wann und warum sie mit Menschen brechen sollten, die ihnen nicht gut tun, ihnen ihre Ängste nehmen, welches Leben sie führen sollten, damit es ihnen besser geht - so sehr ich das alles auch (für diese Menschen) will.
Ich habe oft genug gemerkt, dass mir dieses Verhalten nicht gut tut, und es ist verlockender, schmerzhafter und kräftezehrender, je näher mir dieser Mensch steht. Der Wunsch, diesem Menschen zu helfen, reicht nicht aus, denn egal wie gut meine Absichten sind, die dahinter stecken, ich kann nicht das Leben der anderen führen, weil ich nicht die Energie dafür habe und weil es einfach nicht meine Aufgabe ist. Diesen Menschen, so sehr ich ihn liebe, bringt es nicht weiter und mich wirft es in den Dreck, weil irgendwann jeder Mensch beginnt sich zu wehren, wenn er einer Aufgabe in seinem Leben nicht gewachsen ist, einfach noch nicht so weit ist oder nicht die ausreichende Motivation hat, sich zu überwinden (egal, wie sehr ich hinter ihm stehe und an ihn glaube).
Eure
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Yvonne (Sonntag, 20 Mai 2018 22:32)
Das ist wirklich ein sehr schöner und interessanter Beitrag! Ich finde es toll, wie differenziert du das Thema angegangen bist und er hat mich angeregt, auch mal über mich selbst nachzudenken. Wie gehe ich mit Grenzen um, meine eigenen, die von anderen. Was kann ich ändern und was nicht? Will ich überhaupt ändern, was ich ändern kann? Über manche Themen macht man sich sonst so keine Gedanken, aber es ist wirklich spannend und wichtig. Für einen selbst und andere. Danke! :)
Viele Grüße,
Yvonne